Ja, natürlich. Wer im neuen Jahr bis jetzt noch nicht durchgeatmet hat, der tut es jetzt. Super, dass man wieder etwas kaufen kann. Klar geht es beim Durchatmen um Sauerstoff, Luft, die man holt. Aber für Frauen jeden Alters – sage ich mal – auch um irgendetwas Neues am Körper, um sich auszudrücken, oder?
Ich drücke mich inzwischen sehr farbig aus. Das ist mir vorgestern aufgefallen, weil mich immer wieder Leute angesehen, gemustert haben. Immerhin ist früher schon einmal eine Frau auf mich zugegangen und hat gesagt: „Ich habe auch einen Hut im Schrank, den setze ich jetzt auch mal auf!“ Da war ich eine Mutmacherin. Das möchte ich heute auch sein.
Ich habe mich schon häufig bei meinen täglichen Spaziergängen umgesehen: sehr, sehr, sehr viele Hamburgerinnen laufen in den Farben Schwarz, Grau, Beige, Dunkelblau herum. In allen Schattierungen dieser Farben sind sie gekleidet.
Ich habe einmal im Bus eine Frau mittleren Alters gesehen – getroffen würde ich sogar sagen -, die war ganz in leuchtenden Rottönen gekleidet. Gut, alles sah auch nach teuren Materialien aus! Das fördert den Look natürlich. Selbst der hübsche Rucksack war rot, der Mantel, die Schuhe, unter dem Mantel auch ein wenig Weiß mit Rot oder Rosa. Sie anzusehen war ein Stimmungsaufheller! Ich bin dann zu ihr gegangen und habe gesagt; „Ich freue mich an ihren Farben. Toll, das sie sich so eindeutig ausdrücken! Schade, dass das nur so wenig Frauen machen. Leuchten!“ Sie hat sich gefreut und betont, sie verstehe auch nicht, wie Menschen, denen es sooo gut gehe wie vielen von uns Hamburgerinnen, ihre Freude so „unter dem Farbdeckel“ halten.
Eine hübsche alte Dame, ihr Mann war einiges jünger und sehr gutaussehend, hat vor Jahrzehnten zu mir gesagt:„Ab Sechzig ist Schwarz und alles Dunkle total OUT!“ Wie Recht sie hat! Farben machen etwas mit uns, sie haben Schwingungen – wie Musik! Wenn man Sechzig ist, hat man schon so viele Jahre für schöne Erlebnisse gehabt. Da könnte man sich schon mit Farben bei seinen Mit-Menschen bedanken. Und schon schwingt einiges in der Welt höher.
Das Foto steht hier, weil ich mir einen Stock zugelegt habe. Ich finde, dass ich hin und wieder beim Gehen leicht schwanke. Das finde ich blöd. Da habe ich mich an die total chicen Gehstöcke der Dandy-Literaten voriger Jahrhundert erinnert und gedacht:“Für diesen Zustand gibt es doch eine Abhilfe!“ Bei Schattschneider ist eine große Auswahl. Der erste Stock in meiner Hand, auf mich gekürzt, war ein Volltreffer: ich hätte nicht gedacht, dass ein Gehstock so viel Schwung und Sicherheit gibt. Ich bin gleich hin und her gegangenund habe versucht, den Stock herzhaft meinen Gang „an-zu-schwingen“. Ich hatte den Herrn nicht gesehen, der herein gekommen war, meinen ersten Gehversuchen mit Blicken folgte und dann lachend sagte:“ Na, machen wir jetzt einen auf Dandy?“
Ich habe dann gleich zwei Gänge gemacht. Wenn man schwungvoll mit ausladenden Schritten geht, gibt das natürlich ein gan anderes Bild ab, als wenn man sich mit ihm – ZU SPÄT angeschafft – in kleinen Schritten vorwärtsquält. Ich vermute, dass viele Rollatur fahrende ältere Herrschaften KEINEN runden Rücken kriegen müssten, könten sie sich rechtzeitig zu einem Gehstock durchringen. Der macht/lasst nämlich einen schönen graden Rücken, gutes Durchatmen und gibt Sicherheit.
Mein erstes von mir inszeniertes Theaterstück war „Ödipus“ von Sophokles – und das mit einer Hauptschulklasse! „Mein“ Ödipus war übrigens ein Mädchen, sie hatte als einzige die Haltung dafür und konnte den Text beherrschen und ausdrücken. Alle Spieler hatten lange weiße Gewänder an. Die Szene, in der Ödipus seinen Vater erschlägt, habe ich im Gegenlicht darstellen lassen: Scheinwerfer vorn im Zuschauerraum und die Tat als Schattenbild an den riesigen weißen Paravents gezeigt. Die Riesenparavents hatte ich vom Schauspielhaus geschenkt bekommen. Die Tat war beeindruckend über-überlebensgroß.
Ödipus‘ Mutter war für den „verwaisten“ – der Vater hatte ihn töten lassen wollen, aber der beauftragte Jäger hatte Mitleid mit dem Baby – Ödipus ja der Gewinn, nachdem er folgendes Rätsel gelöst hatte:
Am Morgen des Lebens geht es auf vier Beinen, am Mittag auf zwei und am Abend des Lebens auf drei Beinen. Welches Wesen ist das?
Der Mensch: als Baby krabbelt er, als Erwachsener läuft er auf zwei Beinen und im Alter bewegt er sich mit einem Stock.
das neue Leben zu sehen. Für unseren Sommer sieht es ja wohl auch nicht schlecht aus. Wie immer es kommt, wir machen das Beste daraus. Wenn wir es nicht direkt kriegen, stellen wir es uns vor, erinnern uns oder finden andere Wege, die Stimmung hoch und heiter zu halten – – – und farbiger vielleicht. Allen ein schönes Wochenende mit Sonne und Blumen und guter Stimmung, die wir selber herstellen.
Übrigens habe ich letzte Woche von einer Freundin Blumen bekommen – ja, Heike, deine! – , die richtig lebendig waren/sind – sie vergingen und vergehen nach und nach und dürfen dann natürlich in den Komposter. Hurra!