Vorgestern ist mir schlagartig klar geworden, dass die absolut notwendigen gesellschaftlichen Veränderungen keinen Spaß machen. Ausführlicher Artikel heute im Abendblatt, dass die Jungen total problembewusst sind, aber wenig umsetzen. Klar, wer verzichtet freiwillig auf angenehm Vertrautes – wenn er es sich finanziell erlauben kann?
Ich habe zwar ein ganzes Buch über eine Welt ohne Geld geschrieben, weil ich mir die geheilte Haltung zu unserem wunderschönen blauen Planeten nur vorstellen konnte, wenn es einfach kein Geld mehr gibt. Ich kann jeden verstehen, der seinen Lebensstil nicht ändern möchte. Man möchte es immer bequem-er haben, oder?
Solange Menschen Anerkennung, Bedeutung und Macht durch finanziellen Erfolg erhalten können, ist die Versuchung für Begabte – Clevere einfach zu verführerisch. Der Witz ist, dass die so clever am Schluss auch nicht sind, denn Glück lässt sich mit Geld nicht steigern.
Geld schreit nach mehr Geld. Das sind die Geldsammler. Oder man hat es und will es auch konsummäßig genießen mit Flugzeug, Kreuzfahrt, Auto, Ski, Fleischkonsum …
In meiner momentanen klugen Lektüre von Eric Olin Wright „Reale Utopien – Wege aus dem Kapitalismus“ (suhrkamp taschenbuch wissenschaft) nennt er unter der Kapitel-Überschrift‚
’Der Kapitalismus ist in gewissen ausschlaggebenden Hinsichten ineffizient’ sechs Ursachen der Ineffizienz
– die Unterproduktion öffentlicher Güter
– die Unterbewertung von Naturressourcen
– negative Externalitäten
– die Überwachung und Durchsetzung von Marktverträgen
– die Pathologien intellektueller Eigentumsrechte
– die Kosten der Ungleichheit
Der ersten beiden Punkt führen mich über bereits vertraute Gedanken hinaus. Ich bin in Lichtblicken immer wieder überrascht, dass ich es als normal, ja natürlich ansehe, dass bestimmte Stückchen Erde Einzelpersonen gehören. Ich empfinde in hellen Momenten ganz wie Rousseau, der in seinem ‚Diskurs über die Ungleichheit’ sagt:
Der erste, der ein Stück Land eingezäunt hatte und dreist sagte:„Das ist mein“ und so einfältige Leute fand, die das glaubten, wurde zum wahren Gründer der bürgerlichen Gesellschaft. Wie viele Verbrechen, Kriege, Morde, Leiden und Schrecken würde einer dem Menschengeschlecht erspart haben, hätte er die Pfähle herausgerissen oder den Graben zugeschüttet und seinesgleichen zugerufen: „Hört ja nicht auf diesen Betrüger. Ihr seid alle verloren, wenn ihr vergesst, dass die Früchte allen gehören und die Erde keinem.“
Aber was sind im Punkt drei die negativen Externalitäten? Meine Mutter hätte gesagt: das Wort kommt mir nicht ins Haus!
Kleine Anekdote: Als ich eines wochenends aus dem Kindergärtnerinnen-Seminar-Münster (meine 1. Berufsausbildung) nach Hause kam und das Wort Frustration gelernt hatte und in einem Satz benutzte, sprang meine wunderbare Mutter vom Tisch auf und sagte entschieden: „Dieses Wort kommt mir nicht ins Haus!“ Mein Mutter war pfiffig, sehr besonders und sie machte nie – und ich meine NIE – ein schlechtes Gewissen. Immerhin hat sie 6 Kinder geboren und großgezogen. Wenn etwas ausgeführt werden SOLLTE, sagt sie nur: „Dies ist keine Bitte, sondern ein dienstlicher Befehl.“ Da das nur selten vorkam, wurde das Gewünschte immer ohne Gegenfrage von jedem angesprochen Kind in die Tat umgesetzt.
Ach, da fällt mir auch ein: Als ich im Kindergärtnerinnen Seminar die Reproduktionsapparate der Geschlechter gelernt hatte, habe ich meine Mutter gefragt, ob sie mal wissen möchte, wie das so in ihr aussieht. Sie war interessiert und begeistert. Natürlich wollte ich ihr anschließend meinen Vater biologisch erklären. Das Entsetzen war prompt: „Durch Vater machst du keinen Querschnitt!“ Ich habe das dann auch gelassen.
Zurück zu Externalitäten – ein Ausdruck, für das der begabte Übersetzer (das Buch liest sich wie Butter!) offensichtlich kein deutsches Wort gefunden hat – welche Inhalte verstecken sich dahinter?
Unterschieden werden positive Externalitäten und negative Externalitäten.
„Eine positive Externalität ist eine irgendwie geartete Nebenwirkung der Produktion von etwas anderem.“ (S.107) und an gleicher Stelle weiter „Man denke beispielsweise an den öffentlichen Nachverkehr: er weist zahlreiche positive Externalitäten auf, etwa Energieeinsparungen, weniger Verkehrsbehinderungen und geringere Umweltverschmutzung. Dabei handelt es sich sämtlich um positive Nebenwirkungen, die als öffentliche Güter angesehen werden können. Doch lässt sich mit diesen Nebenwirkungen nicht auf dem Markt handeln: Ein städtischer Verkehrsbetrieb kann den Leuten kein Geld abnehmen, um sich die aus geringerer Luftverschmutzung resultierende Senkung der Gesundheitskosten oder auch die geringere Häufigkeit, mit der Häuser gestrichen werden müssen, vergüten zu lassen. Es handelt sich um Vorteile, die von einem viel umfassenderen Kreis von Personen genossen werden als nur von denen, die eine Fahrkarte erwerben.“
Das Argument geht weiter, aber ich möchte die Fußnote dazu zitieren: „Diese positiven Externalitäten des öffentlichen Nahverkehrs sind eine der Hauptrechtfertigungen für die Bezuschussung öffentlicher Verkehrssysteme, doch sind solche Zuschüsse in der Regel relativ gering, und von den Verkehrsbetrieben wird erwartet, dass sie nahezu die Gesamtheit der (…) Betriebskosten aus den Nutzungsgebühren“ (das sind ja wohl die Fahrkartenpreise, bemerke ich hier mal) „decken. Das ist wirtschaftlich irrational. Es wäre ein Leichtes, sämtliche positiven Externalitäten des öffentlichen Nahverkehrs (einschließlich der positiven Externalitäten für zukünftige Generationen) zu berücksichtigen. Die vollständige staatliche Finanzierung des Betriebs und ein für die Fahrgäste kostenloser Nahverkehr wären die effizienteste Art, den Preis der Dienstleistung zu bestimmen.“
An dieser Stelle fiel mir auf, wie ‚versaut’ mein Denkapparat bereits ist, was ich immer wieder vergesse: erst wird von den Steuern der Nahverkehr finanziert und dann zahle ich auch noch den Preis, um damit fahren zu dürfen. Die wenigen extrem Reichen allerdings zahlen Rechtsanwälte, die ihnen zu Steueroasen verhelfen. Wenn das nicht eine dynamische Weiterentwicklung bedeuten würde, könnte man das – widerwillig aber immerhin – hinnehmen, aber das ist eine sich vergrößernde Spirale. „Das Kapital muss sich bei Strafe des Untergangs vermehren…“ Dieser Satz hat mir schon bei den Schulungssitzungen während der 68-Zeit schwer Eindruck gemacht.
Doch hier die GUTE NACHRICHT:
Mir scheint wichtig, dass man überhaupt erst wieder klar denkt, sich gedanklich aus dem Nebel begibt. Wir müssen mit immer mehr Menschen für den Planeten – Erde und Natur darauf – die richtigen Ideen, Vorstellungen, Utopien entwicklen. Die Tatsache der Critical Mass greift auch hier: es muss eine engemessene Anzahl von Personen geben, die sich das Richtige erst einmal vorstellt. Diese bildlich klare Vorstellung ist dann der Samen für eine gelingende Zukunft – denn alles entsteht aus dem richtigen Geist einer Sache. So entsteht Realität!
Also: kommt am 26.3.17 um 19 Uhr in die Bussestrasse 1 – und wenn es nur dazu dient, die wünschenswerten Veränderungen zu DENKEN – SICH VORZUSTELLEN und dabei Leute kennen zu lernen.